Blamage für die BaFin

Kleine Anfrage an die Bundesregierung offenbart enorme Defizite

Dr. Gerhard Schick und andere Mitglieder des Bundestages haben vor einigen Wochen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung geschickt (Drucksache 19/1788). Die Antwort offenbart nun in Sachen P&R absolute Unwissenheit und Ignoranz der parlamentarischen Staatssekretärin Christine Lambrecht (SPD). Angesichts von Fehlern wäre sogar das Attribut Schlamperei passend. Und auch für die Aufsichtsbehörde BaFin ist die Kleine Anfrage eine Blamage.

Volumen. Als die Anfrage Mitte April von den Grünen formuliert wurde, waren viele der heute bekannten Fakten noch nicht öffentlich. Zur Abschätzung der Dimension fragten die Oppositionspolitiker deshalb nach der Anzahl der P&R-Anleger und deren Investitionsvolumen. In der Antwort verweist Lambrecht auf den Verkaufsprospekt Nummer 5005 und die darin enthaltenen Beträge, was angesichts der Eingrenzung auf die P&R Transport-Container GmbH natürlich nur einen Bruchteil des Schadens beziffert. Darüber hinaus hat sie die Zahlen aus dem Verkaufsprospekt nicht einmal richtig abgeschrieben. Für das Angebot 5004 beziffert sie zum Beispiel das Investitionsvolumen auf 189.769.895 Euro. Die richtige Zahl kann im Verkaufsprospekt auf Seite 76 nachgelesen werden. Sie lautet 136.662.115 Euro. Aber was sind schon 53 Millionen Euro Unterschied für eine Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen?

Eine kleine Anfrage der Grünen blamiert die Bundesregierung und die Aufsichtsbehörde BaFin
Eine kleine Anfrage der Grünen blamiert die Bundesregierung und die Aufsichtsbehörde BaFin
Quelle: Kopfzeilen der Anfrage 19/1788

BaFin. Eine andere Frage betrifft die Aufsichtsbehörde BaFin. Die Grünen wollten wissen, welche Maßnahmen die BaFin zu welchem Zeitpunkt ergriffen hat. Lambrecht führt als einziges die Ad-Hoc-Mitteilung vom 21. März 2018 an. Das war allerdings keine Maßnahme der BaFin, sondern nur eine Veröffentlichung nach Paragraph 11a Vermögensanlagengesetz durch den Emittenten. Aber das ist nicht der Punkt. Wenn schon eine Nichtmaßnahme als einzige Tat aufgeführt wird, heißt das im Umkehrschluss, dass die Aufsichtsbehörde ansonsten keine der vielen Befugnisse nutzte. Die drei Affen, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen, lassen grüßen.

Finanztest. Die unverantwortliche Untätigkeit der Aufsichtsbehörde offenbart sich auch in der konkreten Frage nach Mietunterdeckungen, wie sie die Stiftung Warentest in ihrer Zeitschrift Finanztest im Mai 2017 offenbarte. Das Finanzministerium argumentiert, dass die Zahlen der P&R Equipment & Finance Corp. „keine nach dem VermAnlG für den Verkaufsprospekt vorgeschriebenen Mindestangaben“ wären. Doch warum sind sie dann in den Verkaufsprospekten drin? Freiwillig wird P&R sie nicht veröffentlicht haben. Und unabhängig davon: In Finanztest waren sie klar beziffert, weshalb die auch für die BaFin geltende Feststellung alles sagt: „Zur Höhe von Mietunterdeckungen sind daher keine Aussagen möglich.“ Komisch, wenn es eine Stiftung Warentest mit viel bescheideneren Möglichkeiten kann und eine Aufsichtsbehörde mit weitreichenden Befugnissen nicht.

Risiken. Konkret wissen wollten die Grünen, ob die Risiken im Verkaufsprospekt umfassend dargestellt wurden und die Investoren alle nötigen Informationen hatten. Natürlich nicht, wie jeder Kenner sofort attestieren würde. Lambrecht hingegen fabuliert allgemeines, wonach die Risiken „kompakt im ersten Drittel des Verkaufsprospekts enthalten sein“ müssen und „verstreute oder ‚versteckte‘ Risikoangaben im Prospekt“ unzulässig sind. Doch was ist beispielsweise mit dem auf Seite 128 (Verkaufsprospekt zu P&R 5003) beschriebenem Risiko, dass das Geld nicht vertragsgemäß an die P&R Equipment & Finance Corp. überwiesen wurde und deshalb auch noch keine Standardcontainer übereignet wurden. Nur eines von vielen Beispielen, das die Arbeit der Aufsichtsbehörde in Frage stellt. Und die Feststellung Lambrecht’s sowieso: „Die Prospekte der P&R Transport-Container GmbH, die von der BaFin gebilligt wurden, halten die gesetzlichen Vorgaben ein.“ Wirklich, wenn teilweise nicht einmal das Alter der Container genannt wird? Oder was ist mit den in den Verkaufsprospekten verschwiegenen und von investmentcheck aufgedeckten Interessenskonflikten bei der Blue Sky Intermodal, die rund ein Drittel der P&R-Container managte?

Marktwerte. Ob die Containerpreise im Rahmen der üblichen Marktwerte lagen, wollten die Grünen ebenfalls wissen. „Der Bundesregierung und der BaFin liegen hierzu keine Erkenntnisse vor“, antwortete die SPD-Abgeordnete stellvertretend. Wieso eigentlich, wenn die Vermögensanlagenverkaufsprospektverordnung Aussagen vorschreibt, wonach einem Anleger eine zutreffende Beurteilung möglich sein muss. Oder Paragraph 7 Vermögensanlagengesetz schreibt vor, dass ein Verkaufsprospekt alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten muss, „die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten der Vermögensanlagen und der Vermögensanlagen selbst zu ermöglichen“. Sind Angaben zu überhöhten oder nicht überhöhten Kaufpreisen sowie zu nachhaltigen oder nicht nachhaltigen Mieten nicht wichtig? Natürlich sind sie das, weshalb auch in diesem Punkt die BaFin wie ein zahnloser Tiger mit freiwillig angelegter Augenbinde wirkt.

Regulierungslücken. Die Bundesregierung sollte außerdem erklären, ob es im Bereich des grauen Kapitalmarktes noch Regulierungslücken gibt. Die am längsten ausgefallene Antwort soll wohl darüber hinwegtäuschen, dass die Frage derzeit nicht beantwortet wird. Auf über einer Seite führte Lambrecht aus, was in der Vergangenheit geändert wurde. Abschließend fasst sie zusammen: „Im Übrigen beobachtet die Bundesregierung laufend die Entwicklungen auf den Kapitalmärkten und prüft, ob weiterer Regulierungsbedarf besteht.“

Loipfinger’s Meinung. Gertrud Hussla und Lars Nagel vom Handelsblatt haben die Antwort ähnlich kommentiert. Enthaltene Fehler sind kein Ruhmesblatt für die Bundesregierung und die stellvertretend antwortende Christine Lambrecht. Für die BaFin ist sie sogar noch mehr als das: Komplette Untätigkeit, die mit faulen Ausreden kaschiert werden soll. Sie hat nicht nur formale Pflichten, die sie meines Erachtens nicht einmal erfüllte. Die Nichtnutzung weitreichender Auskunfts- und Verbotsrechte offenbart eines nur zu deutlich: Der seit 2015 als Auftrag an die BaFin übertragene „kollektive Verbraucherschutz“ ist in der täglichen Arbeit noch lange nicht angekommen.

Hinweise. Nächste Woche am Mittwoch, 13. Juni findet im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages eine Anhörung zum „Gesetz zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze“ statt (BT-Drucksache 19/2435). Stefan Loipfinger ist als Sachverständiger geladen. Einen Tag später findet am Münchner Flughafen ein Thementag zu den Lehren aus dem P&R-Skandal statt. Dort wird Stefan Loipfinger zwei Vorträge halten und mitdiskutieren. Es ist nicht die Frage, ob sich etwas ändern sollte, sondern nur was sich ändern muss.

Bisherige P&R-Berichterstattung (chronologisch):
Bestätigungsvermerke nur mit Einschränkungen (22. Juli 2016)
Fragwürdige Mietunterdeckungen bei P&R (26. Juni 2017)
Buch „Achtung, Anlegerfallen!“ ab Seite 221 (erschienen 27. Februar 2018)
Wie groß ist das Feuer unterm Dach? (8. März 2018)
Insolvenzanträge bei P&R (19. März 2018)
P&R –Schwindeleien gehen weiter (26. März 2018)
Erste traurige Wahrheiten (18. April 2018)
Weitere Insolvenzanträge bei P&R (27. April 2018)
Haftet die BaFin im Fall P&R? (3. Mai 2018)
P&R – Eigentum und Eigentumszertifikate (4. Mai 2018)
Weit über 50.000 falsche Steuererklärungen? (5. Mai 2018)
Gebrauchtcontainer als neu verkauft (6. Mai 2018)
Falsche Eigentumszertifikate (12. Mai 2018)
Rund 2,5 Milliarden Euro vernichtet (17. Mai 2018)
Auffällig viele Veränderungen in 2017 (4. Juni 2018)


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