Anfechtung: Das Damoklesschwert für P&R-Anleger

Ein Kommentar von Rechtsanwalt Wolfgang Wittmann

Die vorläufigen Insolvenzverwalter gaben am 17. Mai 2018 nach „vorläufiger Auswertung der Systeme“ bekannt, dass rund 1,6 Millionen Container an rund 54.000 Anleger verkauft worden seien. Dem stünde eine Containerflotte von rund 0,6 Millionen gegenüber. Mit anderen Worten: Rund 1 Million (!) der an Anleger verkauften Container existieren nicht. Diese enorme Bestandsdifferenz habe sich über Jahre hinweg aufgebaut. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt. Jetzt droht auch noch eine riesige Anfechtungswelle gegen die Anleger.

Insolvenzanfechtung. In rechtlicher Hinsicht regelt Paragraph 134 Insolvenzordnung (InsO) die Anfechtung bei unentgeltlichen Leistungen. Unentgeltliche Leistungen des Schuldners sind durch den Insolvenzverwalter anfechtbar, wenn sie innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. Eine Leistung ist unentgeltlich, wenn ihr keine (gleichwertige) Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht. Die Anwendbarkeit von Paragraph 134 InsO bei Auszahlungen von in „Schneeballsystemen“ erzielten Scheingewinnen ist ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, 11. Dezember 2008 – IX ZR 195/07 und 22. April 2010 – IX ZR 163/09).

Wolfgang Wittmann sieht auf die P&R-Anleger noch größere Probleme zukommen
P&R-Anleger könnten durch Anfechtungen bereits erhaltener Zahlungen noch mehr Geld verlieren als sie aktuell investiert haben. Bild: Wolfgang Wittmann

Anfechtungsbasis. Bei P&R konnten Anleger durch die Kauf- und Verwaltungsverträge kein Eigentum an Containern erwerben, wenn diese nicht angeschafft wurden. Deshalb sind die an Anleger ausbezahlten Mietzahlungen als unentgeltliche Leistungen anfechtbar. Soweit Zahlungen im Wege von Rückkaufsverträgen seitens P&R für nicht existente Container an Anleger geleistet wurden, sind diese Zahlungen aus demselben Grund anfechtbar. Wurde der Rückkaufpreis mit einer Neuanlage verrechnet, ist auch diese Verrechnung des Rückkaufpreises zulasten des Anlegers anfechtbar. Eine Aufrechnung durch den Anleger mit eigenen Ansprüchen aufgrund von Neuanlagen mit den Anfechtungsansprüchen des Insolvenzverwalters ist jedoch ausgeschlossen (Paragraphen 96 Absatz 1 Nummer 1, 95 Absatz 1 Satz 1 InsO) und unzulässig (BGH, NJW 2014, Seite 305). Dem Anleger bleibt nichts anderes übrig, als die bezahlten Kaufpreise für Neuanlagen im Insolvenzverfahren anzumelden.

Zeitraum. Der Anfechtungszeitraum wird ab dem Tag des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechnet und gilt rückwirkend für vier Jahre. Betroffen sind demnach Zahlungen der P&R Container Leasing GmbH, P&R Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH und P&R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs GmbH (Antrag am 15. März 2018) seit dem 16. März 2014. In Bezug auf P&R Transport-Container GmbH (Antrag am 26. April 2018) unterliegen alle Zahlungen an Anleger der Anfechtung. Das erste Angebot der P&R Transport-Container GmbH stammt vom 1. Februar 2017.

Fallbeispiel. Ein Anleger erwarb am 1 Dezember 2012 insgesamt 20 gebrauchte Container (Angebot 1074). Der Preis je Container betrug nach Abzug des Rabatts 2.233 Euro. Hieraus ergibt sich eine Gesamtinvestition in Höhe von 44.660 Euro. Es wurden sodann vereinbarungsgemäß bei einer Laufzeit von fünf Jahren quartalsweise 0,75 Euro/Tag, mithin insgesamt 27.375 Euro Miete an den Anleger ausbezahlt. Hiervon entfallen 20.325 Euro auf den anfechtbaren Zeitraum ab dem 16. März 2014 (1.355 Tage). Zudem erhielt der Anleger am 30. November 2017 eine weitere Auszahlung für den Rückkauf in Höhe von 28.700 Euro. Die Auszahlungen an den Anleger im Anfechtungszeitraum betragen demnach Gesamt 49.025 Euro. Dieser Betrag unterliegt der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter, wenn die Container nicht existieren, da sie in rechtlicher Hinsicht als unentgeltliche Leistung im Sinne des Paragraph 134 InsO zu qualifizieren sind.

Keine Aufrechnung. Soweit der Anleger das ausbezahlte Geld (möglicherweise noch aufgestockt mit weiteren freien Mitteln) wieder bei P&R anlegte, kann er diese Wiederanlage nicht zur Aufrechnung stellen, sondern nur zur Insolvenztabelle anmelden. Auch im Fall der oft durch P&R vorgenommenen Verrechnung von zur Auszahlung fälligen Rückkaufspreisen mit Neuanlagen in Container ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der Verrechnungsbetrag in Höhe des Rückkaufs unterliegt der Anfechtung. Viele Anleger werden dann wirtschaftlich nicht in der Lage sein, den Anfechtungsansprüchen nachzukommen. Gleiches gilt für die Fälle, in welchen Anleger das ausbezahlte Geld beispielsweise in ihr Eigenheim investiert haben. Ihnen droht ebenfalls die Anfechtung und die gerichtliche Durchsetzung durch den Insolvenzverwalter. Dieser ist nach der geltenden Gesetzeslage sogar verpflichtet die Anfechtung durchzuführen.

Wittmann’s Meinung. Bislang hat sich fast niemand öffentlich mit dem Thema der Anfechtung befasst. Aufgrund des Gesamtvolumens dürfte das Anfechtungsvolumen im Milliardenbereich liegen. Das Gebührenaufkommen der vom Insolvenzverwalter mit der Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen beschäftigten Anwälte wird dabei mehr als 100 Millionen Euro betragen. Auch diese Gebühren werden letztendlich die geschädigten Anleger bezahlen. Aus Erfahrungen in ähnlichen Parallelfällen steht zu befürchten, dass auch die Insolvenzverwalter der P&R Unternehmen dieses Anfechtungsvolumen weder in den Gläubigerversammlungen noch sonst zeitnah mitteilen. Aus langer Hand vorbereitet droht sodann der „Anfechtungs-Super-GAU“ – möglicherweise erst kurz vor der Verjährung im Jahr 2021.

Ergänzende Anmerkung der Redaktion. Die vorläufigen Insolvenzverwalter schreiben auf frachtcontainer-inso.de in den FAQ’s dazu: „Die in der Presse diskutierte Rechtsprechung zur Anfechtung der Auszahlung von Scheingewinnen in sog. ‚Schnellballsystemen‘ als unentgeltliche Leistungen (sog ‚Schenkungsanfechtung‘ nach § 134 InsO) betrifft nach derzeitiger Einschätzung anders gelagerte Sachverhalte: Dort wurden an die Anleger auf der Basis von manipulierten Bilanzen tatsächlich nicht erzielte Gewinne ausgezahlt. Vorliegend wurden den Anlegern jedoch keine Gewinne ausgezahlt, sondern‎ Zahlungen auf Mieten bzw. Rückkäufe geleistet. Die einzelnen Vorgänge können jedoch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den jeweiligen Insolvenzverwalter aufgearbeitet und abschließend geprüft werden; diese Prüfung kann schon von Gesetzes wegen dem noch zu bestellenden Insolvenzverwalter nicht jetzt vorweggenommen werden.“

Ergänzung 2. Mit Herrn Wittmann live diskutieren am 14. Juni 2018 im municon am Münchner Flughafen: Thementag Geldanlage: Welche Lehren sind aus dem P+R Skandal zu ziehen?