Tendenz uneinheitlich

Stuttgart entscheidet zu Anfechtungsfragen gegen einen P&R-Anleger

Nach den ersten Erfolgen zu Gunsten der P&R-Investoren fällt nun ein erstes Urteil gegen einen Anleger aus. In Stuttgart entschied ein Richter am Landgericht, dass die vor der Insolvenz erhaltenen Rückkaufspreise zurückzuzahlen sind. Damit zeichnet sich in den neueren Pilotverfahren nur noch ein uneinheitliches Bild bezüglich möglicher Anfechtungsansprüche durch die Insolvenzverwalter. Drei Verfahren sind zwischenzeitlich erstinstanzlich entschieden, bei einem fand eine mündliche Verhandlung statt. Die Klagen in Saarbrücken und Braunschweig sind noch nicht terminiert.

Karlsruhe. Am schnellsten war das Landgericht Karlsruhe. Investmentcheck berichtete über die mündliche Verhandlung und das Urteil zu Gunsten des Anlegers.

Bochum. Scheinbar wenig Lust auf eine ohnehin von der nächsten Instanz zu überprüfende Entscheidung hatte das Landgericht Bochum. Sehr kurz soll das Urteil samt Sachverhalt und Begründung ausgefallen sein. Die Freude des Beklagten über den Ausgang dürfte das allerdings nicht geschmälert haben, da das Gericht in der am 4. September 2020 verkündeten Entscheidung zu Gunsten des Anlegers urteilte. Wie Karlsruhe hat also auch Bochum die Klage des Insolvenzverwalters vollumfänglich abgewiesen.

Mündliche Verhandlung beim Landgericht Stuttgart in Sachen P&R-Anfechtung
Mündliche Verhandlung beim Landgericht Stuttgart in Sachen P&R-Anfechtung
Bild: Stefan Loipfinger

Stuttgart. Die Meinung des Landgerichts Stuttgart weicht allerdings deutlich von den vorherigen Entscheidungen zu Gunsten der Anleger ab. Der Richter differenzierte in der mündlichen Verhandlung am 24. September 2020 stark zwischen den vertraglich garantierten Mieten und dem betraglich nicht zugesicherten Rückkauf. Der rechtliche Vertreter des beklagten Anlegers hatte dieser Rechtsansicht argumentativ nicht viel entgegenzusetzen. So entstand bereits in der mündlichen Verhandlung der Eindruck, dass das Urteil bezüglich der Anfechtungsansprüche gespalten ausfallen könnte. Dies bestätigte nun eine Gerichtssprecherin, wonach das Urteil der in der mündlichen Verhandlung skizzierten Einschätzung folgte: „Dies bedeutet, dass im Hinblick auf die Mietzinsen die Klage abgewiesen und im Hinblick auf die Rückkaufpreise der Klage stattgegeben worden ist.“ Anders ausgedrückt heißt das, dass der Anleger in diesem Fall die Mieten behalten darf, aber die erhaltenen Rückkaufpreise an den Insolvenzverwalter zurückgeben muss. Mit ziemlicher Sicherheit wird aber auch diese Entscheidung nicht rechtskräftig und erneut vor einem höheren Gericht verhandelt.

München. Mit 3 ½ Stunden dauerte die mündliche Verhandlung beim Landgericht München länger als alle Erörterungen bei den anderen Gerichten zusammen. Zum Teil lag das an der Sachdiskussion zwischen den Parteien, zum Teil auch an einer Zeugenvernehmung des nach der Insolvenz eingeschalteten Gutachters PWC. Der Richter war wie seine Kollegin in Karlsruhe extrem gut vorbereitet und wollte alles ganz genau wissen. Dabei hätte dieses Verfahren eigentlich deutlich einfacher sein können, da hier eine Anlegerin Beklagte war, die zwölf Container als Leasingmodell kaufte. Damit stand hier – anders als bei über 95 Prozent aller P&R-Investoren – der Rückkaufspreis vertraglich von Anfang an fest. Es gab also keinerlei gewinn- oder marktabhängige Zahlungen. Die Anlegerin erzielte Einkünfte aus Kapitalvermögen und nicht aus Sonstigen Einkünften, wie fast alle Anleger, die von Abschreibungen auf die Container profitierten. Wie das Urteil hier ausgeht, ist sehr schwer zu sagen, da sich der Richter mit eigenen Meinungen sehr bedeckt hielt. Außerdem wird es nach einer weiteren Schriftsatzfrist noch eine zweite mündliche Verhandlung geben. Wenn überhaupt, dann war an einer Stelle heraus zu hören, dass das Gericht eventuell den Gewinn aus dem Anlagemodell als anfechtbar einstuft. In Zahlen ausgedrückt würde das bedeuten, dass Insolvenzverwalter Dr. Philip Heinke von dieser Anlegerin statt den geforderten 32.200 Euro nur 2.500 Euro bekäme (näherungsweise Berechnung von Investmentcheck, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war).

Zeugenvernehmung. Bei der Zeugenvernehmung des PWC-Mitarbeiters ging es zentral um die Frage, ob die Anleger Eigentümer der Container wurden. Dabei argumentierte der Zeuge klar zu Gunsten des Insolvenzverwalters, weil nach seinen Erkenntnissen keine Zuordnung der Container auf einzelne Anleger existierte. Immer wieder betonte er, dass P&R seit mindestens 2011 überschuldet und im Grunde zahlungsunfähig war. Schon in 2011 standen den Mietansprüchen der Anleger in Höhe von 391 Millionen Euro nur tatsächliche Mieteinnahmen aus der Containerverwaltung in Höhe von 173 Millionen Euro gegenüber. Die Zahlungen an Anleger für Mieten und Rückkaufspreise konnten nur mit erheblichen Zuzahlungen aus neu angelegten Anlegergeldern bedient werden. Hätte P&R zum 1. Januar 2015 – also kurz nach Kauf der Container durch die beklagte Anlegerin per Ende 2014 – das Neugeschäft eingestellt, hätten sich folgende Unterdeckungen gezeigt: Bei den Mieten wären den 1,1 Milliarden Euro an Ansprüchen von Anlegern nur tatsächliche Einnahmen von 474 Millionen Euro vorhanden gewesen. Bei den Rückkaufspreisen standen den 4,2 Milliarden Euro zu Gunsten der Anleger nur 1,5 Milliarden Euro an tatsächlicher Substanz gegenüber. Das war zumindest dem P&R-Gründer Heinz Roth bewusst. Der Zeuge berichtete von einer Sitzung kurz nach Insolvenzantragsstellung am 16. März 2018, in der Dr. Michael Jaffé zwei DIN-A4-Blätter vorgelegt wurden. Aus diesen ergab sich bereits der Fehlbestand von einer Million Container.

Mündliche Verhandlung beim Landgericht München in Sachen P&R-Anfechtung
Mündliche Verhandlung beim Landgericht München in Sachen P&R-Anfechtung
Bild: Stefan Loipfinger

Loipfinger’s Meinung. Ich habe drei der bisher vier Verfahren vor Ort beobachtet. Bei diesen Verhandlungen zeigten sich drei völlig unterschiedliche Rechtseinschätzungen. Bochum offenbart in seinem knappen Urteil wenig Lust, sich tiefergehend mit der Sachlage zu beschäftigen. Saarbrücken und Braunschweig scheinen ziemlich überlastet und haben noch nicht einmal eine mündliche Verhandlung terminiert. In München war spannend zu beobachten, dass der Insolvenzverwalter der Beklagten die Übernahme der Rechtskosten zusagte, sofern diese einer Sprungrevision zum BGH zustimme. Ein solches Angebot habe ich bei den beiden anderen von mir beobachteten Verhandlungen nicht mitbekommen. Zufall oder nicht: München war auch das einzige Landgericht, das zumindest bisher eine Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme durchführte. Die allerdings nur sehr schwach in einem Halbsatz zum Ausdruck gebrachte Tendenz, die Anfechtung für den kleinen Teil der Gewinne (Rückzahlung plus Mieten minus Einzahlung) zuzulassen, erscheint am ehesten in die Richtung der bisherigen BGH-Rechtsprechung im Fall Phoenix zu gehen. Im Fall EN-Storage [IC-Bericht] könnte allerdings auf absehbare Zeit ein neues BGH-Urteil folgen, das zum Teil auf P&R übertragbar ist.

Die gesammelte P&R-Berichterstattung bei investmentcheck ist hier abrufbar.

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