Londoner Debakel

Doric-Anleger verlieren Geld beim GENO EuropaFonds

Bedrohliche Ausmaße der COVID-19-Pandemie und eine gestiegene Wahrscheinlichkeit für einen harten Brexit sollen für die dramatischen Entwicklungen eines London-Fonds der Doric-Gruppe verantwortlich sein. Anleger stimmen nun über einen Notverkauf mit unbekanntem Ausgang ab. Bei einer Ablehnung könnte die Bank die Büroimmobilie in der Newgate Street übernehmen. Der Fonds wurde ab 2005 im genossenschaftlichen Finanzverbund angeboten und wirft massive Fragen im Zusammenhang mit einem Interessenskonflikt auf, der bei einem viel zu niedrigen Kaufangebot für die Fondsanteile auftrat. Auch die Erhöhung des Fremdkapitals aufgrund der schwachen Platzierung bei Fondsauflage belastet die aktuelle Situation. Hat sich der Anbieter zu Lasten der Anleger verzockt?

Vorgeschichte. 2005 legte die Doric Asset Finance aus Offenbach den GENO EuropaFonds mit einer Büroimmobilie in London auf. Das Kapital für das Angebot sammelte die GVA GENO-Vermögens-Anlage-Gesellschaft aus dem genossenschaftlichen Finanzverbund. Insgesamt 53,9 Millionen Pfund zuzüglich fünf Prozent Agio wurden anfänglich gesucht, um zusammen mit weiteren 26 Millionen Pfund Fremdkapital den Kaufpreis von 63 Millionen Pfund zuzüglich Kosten zu finanzieren. Doch die geplante Platzierung bis März 2006 gelang nicht, weshalb 2007 eine „Umfinanzierung“ erfolgte. Einen Teil des Eigenkapitals ersetzten Bankkredite, wodurch das Fremdkapital auf 43,5 Millionen Euro stieg. Das Risiko der Anleger erhöhte damit deutlich (Leverage-Effekt). Der damals in Aussicht gestellte Rückfluss von 237 Prozent der Zeichnungssumme bis Ende 2022 ist längst Makulatur.

GENO EuropaFonds entwickelt sich zum Verlustgeschäft für die Anleger
Die schlechte Platzierung verhinderte die Sicherheit durch den hohen Eigenkapitalanteil und macht den Anlegern nun Probleme.
Quelle: Werbeflyer zum Fondsangebot aus 2005

Verlauf. Seit 2010 liegen die Ausschüttungen zum Teil deutlich unter Plan, ab 2017 gab es überhaupt keine Auszahlungen mehr. Hintergrund dafür sind die ursprünglich geplanten Mietsteigerungen vom Alleinmieter AXA Investment Managers SA, die so nicht eintrafen: „Der Mietvertrag mit AXA sah diese potenziellen Mietanpassungen für die Jahre 2010, 2015 und 2020 vor. Als Folge der Finanzkrise der Jahre 2007/2008 war das Mietniveau in der City of London im Jahr 2010 nicht wie erwartet eingetreten, sondern die Mieten stagnierten und eine Mieterhöhung konnte nicht verwirklicht werden. Dieser Negativeffekt konnte nicht wieder aufgeholt werden, da es zu keinem Zeitpunkt seit 2010 zu überproportionalen Mietsteigerungen in der City of London gekommen ist.“ Doch richtig schlimm wurde es für die Anleger erst, als AXA von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machte. Im Juni 2019 erklärte AXA ihren Auszug. Aktuell steht das Gebäude völlig leer und Doric räumte auf Nachfrage ein, dass eine Vermietung der 2000 erbauten Immobilie erst nach umfassender Renovierung möglich sei. Geplant war sogar eine Erweiterung des Gebäudes, wofür die entsprechende Baugenehmigung vorliegt. Brexit und Corona sollen das nun zerschlagen haben: „Als Folge der laufenden Brexitunsicherheiten und der erheblichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben sich die hierfür zunächst gesicherten Finanzpartner zurückgezogen.“

Kaufangebot. Im Juli diesen Jahres erreichte die Anleger Post vom Fondsmanagement. Wer sich wegen Brexit oder COVID-19 Sorgen mache, der könne seine Fondsanteile für 30 Prozent verkaufen. Selbst unter Einrechnung der seit Fondsauflage erhaltenen Ausschüttungen von 47,25 Prozent der Zeichnungssumme hätte das einen erheblichen Verlust bedeutet. Potenzieller Käufer der Anteile war eine Vestinas, hinter der die gleichen Gesellschafter wie bei der Doric stecken. Zu dieser Zeit lag allerdings ein indikatives Kaufangebot für die Immobilie über 60 Millionen Pfund vor. Umgerechnet auf den Anteilswert der Anleger hätte das eine Ausschüttung von 64 Prozent bedeutet. Also mehr als das Doppelte des gebotenen Preises für die Fondsanteile durch die Schwestergesellschaft des Anbieters.

Notverkauf. Vor einigen Tagen bekamen die Anleger nun erneut Post. Sie müssen bis zum 23. November über einen Verkauf der Fondsimmobilie abstimmen. Einen üblichen Mindestverkaufspreis gibt es in der Beschlussvorlage nicht. Es soll ein wirtschaftlich bestmögliches Ergebnis für die Anleger entstehen. Der Hintergrund hierfür ist die finanzierende Bank Hamburg Commercial Bank, die ihr demnächst auslaufendes Darlehen fällig stellt: „Um das Darlehen der HaCoBa am 15. Dezember 2020 zurückführen zu können und damit eine potenzielle Vollstreckung durch die Bank mit anschließendem Zwangsverkauf auszuschließen, bittet die Geschäftsführung, auf beiliegendem Stimmzettel dem Verkauf der Immobilie zum jetzigen Zeitpunkt zu bestmöglichen Bedingungen zuzustimmen.“ Bei einem Scheitern des Verkaufs erhält die Bank die Kontrolle über die Fondsimmobilie.

Loipfinger’s Meinung. Anleger haben nun offenbar keine große Wahl mehr. Ihnen gehört eine leerstehende Immobilie und die Bank scheint sich zu weigern, die demnächst fälligen Kredite zu verlängern. Der bei Fondsauflage wegen schwacher Platzierung erhöhte Fremdkapitalanteil wird den Anlegern nun zum Verhängnis. Eine ungünstigere Position für Verkaufsverhandlungen ist schwer vorstellbar. Für einen Außenstehenden ist nicht zu beurteilen, ob diese schreckliche Situation leichtfertig herbeigeführt wurde und in wie weit die Interessenskonflikte aus dem Kaufangebot für die Fondsanteile dabei eine Rolle spielten. Seriös und fair war das Angebot einer Schwestergesellschaft über 30 Prozent nicht. Die Ausrede, dass die COVID-19-Pandemie in Kombination mit gestiegenen Brexit-Sorgen in den letzten Wochen alles verändert hat, ist nur bedingt glaubwürdig. Es wirkt fast so, als hätte Doric den richtigen Zeitpunkt verpasst und sich zu Lasten der Anleger verzockt.

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