Wackelige Nachrangklausel

Landgericht München tendiert zu Gunsten eines UDI-Anlegers

Es war nur ein mündlicher Termin, aber Felix Kaiser*) freut sich riesig über die ersten Einschätzungen des Landgerichts München I. Er klagt gegen die von UDI verkaufte te Solar Sprint II GmbH & Co. KG auf Rückzahlung seines Investments. Die Einschätzungen der Richterin ließen wenig Zweifel am Ausgang des Verfahrens, falls die Beklagte nicht doch noch zu einem Vergleich einlenkt.

te Solar Sprint II. Im Februar 2015 versprach Stefan Keller „Sonnige FESTZINS-Aussichten“ für Anleger beim te Solar Sprint Festzins II. Insgesamt 5,2 Millionen Euro kamen zur Finanzierung eines Mietmodells für Hausdach-Solaranlagen zusammen. Im Juni 2018 sollte plangemäß das Geld schon wieder zurückfließen, was aber nicht passierte. Das gesamte Mietmodell der MEP-Gruppe ist gescheitert. Im Sommer dieses Jahres meldete die Encopia GmbH (vormals MEP Werke GmbH) Insolvenz an. Kurz darauf stellte das Amtsgericht München Masseunzulänglichkeit fest [IC-Bericht].

UDI-Anleger klagt vor dem Landgericht München I
Mündliche Verhandlung am 25. November 2020 am Landgericht München I
Bild: Stefan Loipfinger

Verhandlung. Am 25. November um 9.15 Uhr begann die mündliche Verhandlung im historischen Gebäude des Landgerichts München I. Gleich einleitend stellte die Vorsitzende ihre vorläufige Meinung zu drei zentralen Themen klar. Bei der Gültigkeit der Widerrufsbelehrung sieht sie wenig Chancen für den Kläger. Bei der vom Landgericht Halle in einem anderen Verfahren beanstandeten Bezeichnung Festzins ist sie eher geneigt, den Argumenten der Klageseite zu folgen. Am klarsten äußerte sie sich zur Gültigkeit der Nachrangklausel. Diese stellte sie stark in Frage.

Möglicher Vergleich. Wie ausgeprägt die Tendenz des Gerichts insgesamt ist, zeigte sich sehr deutlich an dem Hinweis gegenüber dem Beklagtenvertreter Urs Böckelmann von der Münchner Kanzlei drrp. Er solle doch unbedingt mit den Beklagten über einen Vergleich beraten, der mindestens bei 70 Prozent der Schadenssumme liegen müsse. Böckelmann erbat sich eine ausreichende Frist, die ihm das Gericht mit Terminsetzung 4. Januar 2021 gewährte.

Festzinsbezeichnung. Ob der Produktname „te Solar Sprint Festzins II“ alleine ausreicht, um eine Irreführung des Anlegers anzunehmen, stellte die Richterin in Frage. Eva-Maria Ueberrück von der Kanzlei Mattil betonte als Vertreterin des Klägers, dass UDI die Bezeichnung vielfach werblich herausstellte. Böckelmann konnte dem nicht viel entgegnen und verwies vor allem auf die Berufung bei dem Urteil vom Landgericht Halle, weshalb dieses nicht rechtsgültig sei.

Nachrangklausel. Die Konsequenzen aus der qualifizierten Nachrangklausel im Zusammenhang mit den von Anlegern gegebenen Darlehen dürfte vielen in der Realität tatsächlich nicht bewusst gewesen sein. Deshalb ist gerade dieser Ansatz nicht nur vielversprechend, sondern auch absolut glaubwürdig. Böckelmann argumentierte mit der BaFin-Billigung vieler UDI-Prospekte, die diese Nachrangklausel identisch enthielten. Das Argument war allerdings sehr schwach. Ueberrück führte überzeugend an, dass es zum einen bei verhandelten Fall eben keine BaFin-Billigung für den Verkaufsprospekt gab und zum anderen die BaFin ohnehin nur formell prüft. Von einer aufsichtsrechtlichen Genehmigung sei deshalb keinesfalls eine zivilrechtliche Gültigkeit der Nachrangklausel ableitbar.

Konsequenzen. Trotz Corona-Maske war die Reaktion von Rechtsanwalt Böckelmann spürbar, als die Richterin Paragraph 823 BGB erwähnte. In dieser Vorschrift geht es um eine mögliche Schadensersatzpflicht der Beklagten. Sollte die Nachrangklausel für unwirksam erklärt werden, könne der Kläger seine Forderung sofort geltend machen. Eva-Maria Ueberrück erläuterte im Nachgang der Verhandlung die Wirkung so: „Bei Unwirksamkeit der Nachrang-Klausel stellt das Vorgehen der ‚UDI‘ ein unzulässiges Einlagengeschäft im Sinne des Paragraphen 32 Kreditwesengesetz dar mit der Folge, dass insbesondere die Emittentin wie auch deren Geschäftsführer direkt aus unerlaubter Handlung gemäß Paragraph 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit 32 KWG haften.“

Imposante Eingangshalle beim Landgericht München I
Imposante Eingangshalle beim Landgericht München I Bild: Stefan Loipfinger

Verjährung. Bei der Gefahr einer Klagewelle wird von Beklagten gerne auf Zeit gespielt, um so viele Fälle wie möglich in die Verjährung zu schleppen. Investmentcheck befragte Eva-Maria Ueberrück deshalb speziell zu diesem Problem. Für dieses Jahr sieht die Rechtsanwältin bei dem Großteil der ihr bekannten Fälle noch keine große Gefahr. Beim te Sprint Solar Festzins II haben Anleger erst 2018 von Schwierigkeiten erfahren und damit Kenntnis von der vermutlich zuvor nicht verstandenen Nachrangklausel erlangt. Bei einer grundsätzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren ab Kenntnis ist allerdings 2021 unbedingt eine verjährungshemmende Maßnahme wie beispielsweise eine Klageeinreichung anzuraten. Das gelte auch für verschiedene andere UDI-Produkte, bei denen zum Teil 2018 nicht mehr die volle Verzinsung bezahlt werden konnte. Nur wenn schon vorher in 2017 eine Kenntnis unterstellt werden kann, sollte in 2020 noch dringend rechtlicher Rat eingeholt werden.

Loipfinger’s Meinung. Am 27. Januar 2021 wird das Landgericht München I seine Entscheidung verkünden. Noch kann die Beklagtenseite zwar ein Urteil durch einen Vergleich abwenden. Aber selbst wenn die Beklagten in diesem Fall versuchen sich frei zu kaufen und die Klägerseite eine Stillschweigevereinbarung akzeptieren müsste, wird mindestens die Tatsache eines Vergleichs öffentlich. Rechtsanwalt Böckelmann brachte deshalb schon in der Verhandlung seinen Frust darüber zum Ausdruck, dass die Klägervertreterin ja „Herrn Loipfinger mitgeschleppt“ habe.

Nachtrag vom 28. Januar 2021. Zu der angekündigten Urteilsverkündung am 27. Januar ist es gemäß Auskunft vom Landgericht München I nicht gekommen: „In dem von Ihnen angefragten Verfahren haben sich die Parteien vor der Verkündung eines Urteils verglichen und über den Inhalt des Vergleichs stillschweigen vereinbart. Ein Urteil wurde daher nicht gesprochen.“ Aufgrund der Meinungsäußerungen der Richterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung dürfte der Vergleich eher zu Gunsten des Klägers ausgefallen sein.

UDI-Historie. Die gesammelte UDI-Berichterstattung bei investmentcheck ist [hier] abrufbar. Wenn Sie sich gerne mit anderen Betroffenen austauschen möchten, können Sie sich kostenlos in dem nicht öffentlichen Forum investmentcheck.community eintragen. Zwischenzeitlich hat sich auch eine UDI-Anlegergemeinschaft gebildet, die versucht, die Interessen der Investoren zu bündeln. Interessierte können sich bei Frau Dr. Orbach-Yliruka unter [email protected] melden.

*) Name von der Redaktion geändert

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