Gemeinnützige Pleite

Dr. Wiesent Sozial gGmbH schuldet Anlegern 30 Millionen Euro

Mit Genussscheinen und Genussrechten finanzierten Anleger Pflegeeinrichtungen für Senioren sowie Einrichtungen der Kinderkrankenpflege und Behindertenhilfe in Nordbayern. Rund 30 Millionen Euro wurden auf diese Weise gesammelt. Am 16. Dezember 2020 musste allerdings von der Dr. Wiesent Sozial gGmbH ein Eigeninsolvenzantrag gestellt werden. Unter Führung des vorläufigen Insolvenzverwalters Dr. Hubert Ampferl von der Kanzlei Dr. Beck & Partner soll der Geschäftsbetrieb unter dem Schutz des Insolvenzrechts saniert werden. Für die Investoren, die dort rund 30 Millionen Euro anlegten, klingt das nicht gut.

Vorgeschichte. Ab 2012 sammelte die damals noch unter SeniVita Sozial gGmbH firmierende Emittentin Geld mit einem Namensgenussrecht ein. Fünf Prozent Grundverzinsung und eine zusätzliche gewinnabhängige Vergütung wurde versprochen. 2014 folgte eine Genussscheinemission. Per Ende 2015 standen 38,5 Millionen Euro Genussschein- und Genussrechtskapital in der Bilanz. Im Mai 2016 zahlte das Unternehmen eine 2011 begebene Anleihe im Volumen von 13,7 Millionen Euro zurück. Richtig schwierig wurde es für gemeinnützige GmbH ab 2017. Damals entstand ein Jahresfehlbetrag von 22,8 Millionen Euro. Das Jahr 2018 verlief mit einem Fehlbetrag von 23,5 Millionen Euro ebenfalls sehr schlecht. Mit ursächlich waren Abschreibungen aufgrund „fortgesetzter Verluste“ gegen verbundene Unternehmen. Auch die Wertberichtigung der Beteiligung an der SeniVita Social Estate AG trug mit dazu bei, dass das buchmäßige Genussschein- und Genussrechtskapital wegen der Verlustzuschreibung schon per Ende 2018 auf vier Millionen Euro sank.

Mehrere Unternehmen der Dr. Wiesent-Gruppe sind zwischenzeitlich insolvent.
Auzug aus den Insolvenzbekanntmachungen vom 18. Dezember 2020

Projektentwickler. Inwiefern das Beteiligungsunternehmen SeniVita Social Estate AG in die Insolvenz der gGmbH hineingezogen wird, muss sich erst noch zeigen. Gut bestellt ist es um diese Firma aber auch nicht. Nach 10,4 Millionen Euro in 2018 entstand in 2019 ein weiteres Minus von 8,8 Millionen Euro. Bei 63,1 Millionen Euro Bilanzsumme zeigte der Abschluss Ende 2019 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 4,1 Millionen Euro. Die Anleger verschiedener Anleihen im Volumen von 44,6 Millionen Euro sind allerdings besser gestellt als die Gläubiger der gGmbH. Denn deren Gelder sind mit Grundpfandrechten in Höhe von 37,6 Millionen Euro besichert.

Loipfinger’s Meinung. Da sowohl die Genussscheine als auch die Genussrechte der Dr. Wiesent Sozial gGmbH mit einer Nachrangklausel versehen sind, dürfte selbst bei einer angestrebten Fortführung für die Anleger nicht mehr viel zurück fließen. Was viele Anleger von Nachrang-Konstrukten häufig unterschätzen, wurde im Verkaufsprospekt der Genussrechte 2012 so erklärt: „Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hinsichtlich des Vermögens der Emittentin gehen die Verbindlichkeiten aus den Genussrechten den Ansprüchen dritter Gläubiger im Range nach, sodass Zahlungen auf diese Verbindlichkeiten solange nicht erfolgen, wie die Ansprüche aller dritter Gläubiger der Emittentin aus nicht nachrangigen Verbindlichkeiten nicht vollständig befriedigt sind.“ Und wenn es eben nicht zu viele „normale“ Verbindlichkeiten gegeben hätte, dann wäre es auch nicht zum Insolvenzantrag gekommen.

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