Träumende Aufseher

Wie lange will die BaFin bei der Garantis noch prüfen?

Nachrangdarlehen sind sehr gefährlich. Ohne nennenswerte Rechte geben Anleger ihr Geld an einen Anbieter im blinden Vertrauen darauf, dass dieser sich an die Abmachungen hält. Aber auch für den Anbieter können Nachrangdarlehen gefährlich sein. Die rechtlich haltbare Formulierung einer qualifizierten Nachrangabrede ist nicht einfach und wird immer wieder von Gerichten kassiert. Dann wird aus dem Nachrangdarlehen ein unerlaubtes Bankgeschäft. Das ruft die Finanzaufsicht BaFin auf den Plan – zumindest theoretisch. Im Falle der Garantis aus Dresden ist seit über einem halben Jahr noch nichts passiert.

BaFin. Wie ein Mantra klingt es schon fast, wenn Anleger bei einem Skandal „B A F I N“ rufen. Für Hilfe ist es dann meist zu spät. Die forensische Aufarbeitung der Aufsichtsrolle kommt im Anschluss meist zum gleichen Ergebnis: Die BaFin hat nichts gesehen, nichts gehört und nichts gesagt. Ebenfalls schon mantraartig argumentiert die Behörde dann mit mangelnden Kompetenzen. Für Experten und Branchenteilnehmer ist das erkennbar nur eine Ausrede, da die Behörde extrem mächtig ist. Sie müsste vorhandene Regeln nur anwenden, wie ein kleines Beispiel aus Dresden sehr gut zeigt.

Die neuen BaFin-Chefs, die hier demnächst einziehen, sind hoffentlich verbraucherorientierter
Die neuen BaFin-Chefs, die hier demnächst einziehen, sind hoffentlich verbraucherorientierter
Bild: Stefan Loipfinger

Garantis. Irene Hauser [Name von der Redaktion geändert] war schon Rentnerin, als sie vor acht Jahren ein Nachrangdarlehen bei der WBS Finanzservice GmbH zeichnete. 15 Jahre Laufzeit bei einer jährlichen Verzinsung von acht Prozent wurden ihr versprochen. Sie vertraute darauf und hat ihre Lebensversicherung in das Darlehen mit der vielversprechenden Bezeichnung „WBS GARANT“ umgeschichtet. In 2018 teilte ihr der damalige Geschäftsführer Eugen S. dann mit, dass man umfirmiert habe und der Darlehensnehmer nun die Garantis GmbH & Co. KG sei. Das sei eine „modernere Gesellschaftsstruktur“ und er habe nun den Schwerpunkt auf Investitionen in den Immobilienmarkt gelegt. Der letzte im Bundesanzeiger hinterlegte Jahresabschluss stammt von 2017 und zeigt per 31. Dezember Verbindlichkeiten in Höhe von 4,8 Millionen Euro.

Rechtskräftiges Urteil. Die Rechtsanwältin Kerstin Bontschev aus Dresden vertritt eine Reihe von AnlegerInnen und hat im März 2020 ein Urteil beim Landgericht Dresden erstritten (Aktenzeichen 9 O 1995/19). Dagegen legte die Garantis Berufung vor dem Oberlandesgericht Dresden ein. In einem Hinweisbeschluss stellte das Berufungsgericht allerdings sehr klar fest, dass nach einstimmiger Überzeugung des Senats offenkundig die Erfolgsaussichten fehlen. Die Vertragsregelungen sind in den Augen der Richter überraschend und intransparent. Sie listen eine ganze Reihe von Argumenten auf, die für eine Unwirksamkeit der qualifizierten Nachrangabrede sprechen. Zum Beispiel hat der Anbieter festgelegt, dass Auszahlungen nur aus laufenden Gewinnen möglich sind, ohne zu definieren, was genau damit gemeint ist. Ist nur die jährlich aufzustellende Gewinn- und Verlustrechnung maßgeblich oder reichen auch unterjährige Gewinne dafür aus? Die Begründung des Anbieters von nicht ausreichenden liquiden Mitteln verfehle, da damit wohl eher das Vorhandensein liquiden Vermögens gemeint sei. Am Ende hat die Beklagte ihre Chancenlosigkeit eingesehen und die Berufung zurück genommen. Das Urteil ist seit September 2020 rechtskräftig. Auf Anfrage von Investmentcheck hat sich der Anbieter nicht dazu geäußert.

Einlagengeschäft. Die Rechtsanwältin Bontschev hat die BaFin bereits im Frühjahr 2020 angeschrieben und über das erstinstanzliche Urteil informiert. Sie kritisiert das Nichtstun der Aufsichtsbehörde deutlich: „Auch nachdem das OLG Dresden bestätigt hat, dass die Nachrangabrede unwirksam ist, handelte die BaFin nicht und erließ keine Abwicklungsanordnung.“ Zu Recht moniert sie, dass eine unwirksame Nachrangabrede zur Folge hat, dass die Rechtsgeschäfte rückabgewickelt werden müssten. Auf Nachfrage von Investmentcheck teilte die Aufsichtsbehörde mit, dass sie sich zu konkreten Unternehmen und dort eventuell laufenden Prüfungen aus Verschwiegenheitsgründen nicht äußern dürfen. Bontschev gegenüber habe die Aufsichtsbehörde erst kürzlich mitgeteilt, die Prüfungen, ob Garantis ein unerlaubtes Einlagengeschäft betreibe, sind noch nicht abgeschlossen. Ein Jahr nach dem erstinstanzlichen Urteil, über ein halbes Jahr nach dessen Rechtskraft, ist nichts passiert. Bontschev ist zunehmend verärgert und spricht ihren Frust deutlich an: „Wenn die BaFin bereits bei so kleinen Finanzdienstleistern nicht handlungsfähig ist, wird es erst recht nicht bei den Großen klappen, wie Wirecard. Die BaFin – Ein zahnloser Tiger. Leider geht diese Untätigkeit zu Lasten der Kleinanleger und zu Lasten der Reputation des Kapitalmarktes.“

Loipfinger’s Meinung. Da im Januar als Folge des Wirecard-Skandals sowohl die Nummer 1 Felix Hufeld als auch die Nummer 2 Elisabeth Roegele gegangen wurden, ist eine glaubwürdige Chance für einen Neuanfang vorhanden. Der Verbraucherschutz muss innerhalb der Struktur einen höheren Stellenwert erhalten. Das ist zumindest mein Traum, von dem ich hoffe, dass ihn auch eine ganze Reihe von BaFin-MitarbeiterInnen träumen. Denn mir fehlte bisher die erkennbare Unterstützung von oben, um den seit 2015 gesetzlich verankerten kollektiven Verbraucherschutzauftrag zu erfüllen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz als oberster Dienstherr der BaFin muss nun liefern und sozialdemokratische Grundsätze bei den anstehenden Personalentscheidungen berücksichtigen. „Mehr Biss für die Finanzaufsicht“ hat er versprochen. Daran wird er gemessen, wenn im Herbst bei der Bundestagswahl darüber abgestimmt wird, ob er weiterhin eine Rolle in der Regierung spielt.

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