Wir müssen mit der BaFin-Entscheidung umgehen

UDI-Chef Rainer Langnickel im Exklusiv-Interview

Rainer Langnickel hat vor einem halben Jahr die UDI-Gruppe von Stefan Keller übernommen. Bei der UDI Energie Festzins VI kam es nun zu einem Insolvenzantrag. Damit daraus keine Serieninsolvenz wird, will er bei 13 weiteren Gesellschaften die AnlegerInnen von der Notwendigkeit eines Kapitalschnitts überzeugen. Insgesamt geht es um 6.200 AnlegerInnen mit 11.400 Beteiligungen. Die notwendigen Forderungsverzichte liegen zwischen 40 und 87 Prozent. Investmentcheck.de sprach exklusiv mit ihm über die Hintergründe und seine Absichten.

Investmentcheck: Herr Langnickel, zwischenzeitlich dürften die 11.400 verschickten Schreiben bei den AnlegerInnen angekommen sein. Darin sagen Sie, dass die BaFin beim UDI Energie Festzins VI eine Abwicklungsanordnung erlassen hat, was die Notwendigkeit eines Insolvenzantrages auslöste. Seit wann liegt Ihnen diese Anordnung vor?
Langnickel: Die Anordnung kam vor rund sechs Wochen bei uns an. Vier Wochen später stellten wir dann innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Insolvenzantrag. Vergangene Woche eröffnete das Amtsgericht Leipzig ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.

Am 3. Mai 2021 stellte sich UDI-Chef Rainer Langnickel den Fragen von Investmentcheck.de
Interview mit UDI-Chef Rainer Langnickel am 3. Mai 2021 in Nürnberg

Was heißt denn Insolvenz in Eigenverwaltung?
Wir sind sehr froh darüber, dass das Amtsgericht einer Eigenverwaltung mit Bestellung eines Sachwalters zugestimmt hat. Das dürfte es für Kapitalanlagen noch nicht so häufig gegeben haben. Wir versprechen uns dabei den Vorteil, dass das Ergebnis für die Anleger besser ausfällt als bei einer Regelinsolvenz. Und damit die Anlegerinteressen auch entsprechend vertreten sind, haben wir sogar freiwillig einen Gläubigerausschuss vorgeschlagen. Das Gericht hat drei Personen bestellt. Eine davon ist der bekannte Anlegeranwalt Peter Mattil aus München.

Lassen Sie uns noch einmal kurz zurückkommen zu der BaFin-Anordnung. Haben Sie dagegen Rechtsmittel eingelegt?
Grundsätzlich hat die Finanzaufsicht die Wahl, eine solche Anordnung als sofort umsetzbar oder als Bescheid mit der Möglichkeit des Einspruchs zu erlassen. Leider hat sie hart entschieden, weshalb wir zwar auch Rechtsmittel einlegen können, aber erst einmal eine Pflicht zur Umsetzung vorliegt. Trotzdem versuchen wir in einem Eilverfahren den Bescheid anzufechten und verhandeln dazu beim Verwaltungsgericht Frankfurt. Über den Ausgang können wir natürlich noch nichts sagen. Unsere Anwälte sind aber zuversichtlich.

Was heißt das denn nun für die anderen UDI-Angebote mit ähnlichen Nachrangklauseln? Sind dort auch Abwicklungsanordnungen zu erwarten?
Derzeit gehen viele Schreiben zu verschiedenen UDI-Gesellschaften hin und her. Bescheide gibt es aber nicht, so dass wir nicht sagen können, wie die BaFin in den anderen Fällen entscheidet.

Nehmen wir mal an, die BaFin würde in den anderen Fällen keine Abwicklung anordnen. Wäre dann alles in Ordnung?
Leider nein. Es gibt auch ein Urteil des Oberlandesgerichts München zur Nachrangklausel. Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen, aber die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Eine solche hat regelmäßig wenig Aussicht auf Erfolg. Gleichwohl wurde sie erhoben, um kurzfristig Rechtssicherheit zu erlangen. Ohne eine gültige qualifizierte Nachrangklausel müssen wir leider ohne auseichende Forderungsverzichte weitere Insolvenzanträge stellen.

Damit sind wir bei den von Ihnen verschickten Forderungsverzichten, mit denen Sie weitere Insolvenzen vermeiden wollen. Die Quoten der einzelnen Emittenten sind sehr unterschiedlich. Wie berechnen sich diese eigentlich?
Wir haben uns alle Projektgesellschaften sehr genau angesehen und die möglichen Erträge der Zukunft berechnet. Aus diesen Zahlungsströmen für die Zukunft resultieren die zu erwartenden Rückflüsse, aus denen sich wiederum die notwendigen Verzichtswerte in den einzelnen Anlagegesellschaften ergeben.

Das ist das übliche Vorgehen bei der Unternehmensbewertung. Aber die dafür erstellten Prognosen für die Zukunft enthalten immer viele Annahmen. Deshalb würde ich gerne wissen, ob Sie interessieren AnlegerInnen ihre Berechnungen offenlegen und damit nachvollziehbar machen, wo das Anlegerkapital verloren wurde und wie sich die Restschuldquoten berechnen?
Das ist leider nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen. Es gibt viele Vorschriften, die dagegen sprechen. Ich will nichts verstecken, aber Sie können mir glauben, dass wir bei jeder Zahl sehr genau abgewogen haben, was wir in Aussicht stellen. Außerdem muss man an dieser Stelle vielleicht einmal klar sagen, dass die Anlegerinnen und Anleger nur Nachranggläubiger und eben keine Gesellschafter sind.

Okay, das nehme ich zur Kenntnis, auch wenn ich es nicht gut finde, dass in einem so zentralen Punkt keine Transparenz hergestellt wird. Denn die zu akzeptierenden Forderungsverzichte umfassen im Schnitt Dreiviertel der Darlehensbeträge. Aber Sie haben natürlich Recht, dass die AnlegerInnen nur Gläubiger sind, und deshalb streng genommen keine Informations- und Kontrollrechte besitzen. Lassen Sie mich als nächstes noch ein paar andere Klauseln in der Vereinbarung hinterfragen. Zum Beispiel den Verzicht auf alle Ansprüche gegen Dritte wie beispielsweise den Vertrieb oder die Gründungsgesellschafter. Was ist der Grund für diese Klausel?
Mit dieser Vereinbarung wollen wir in verschiedenen Bereichen Rechtssicherheit schaffen. Es hilft uns nichts, wenn die UDI GmbH als Vermittlerin wegen irgendwelcher Haftungsansprüche in die Insolvenz getrieben würde. Auch andere Rechtsstreitigkeiten würden unsere Arbeit in den Projekten nur belasten. Ich bin vor einem halben Jahr hier angetreten, um einen von Herrn Keller begonnenen Sanierungsprozess weiter voranzubringen und die Qualität der Projekte zu steigern. So möchte ich gerne den Anlegern möglichst viel von ihrem Geld zurückzahlen.

Eine andere Klausel in dem Vertrag besagt, dass die verbleibende Restschuld im Falle einer Abwicklungsanordnung durch die BaFin auch noch an die U 20 Prevent GmbH verkauft wird. Der Kaufpreis in diesem Fall ist dann noch einmal niedriger als die Restschuld. Was ist der Hintergrund für diese Regelung?
Das ist letztendlich ganz einfach: Die Restschuld ohne Abwicklungsanordnung soll in den nächsten fünf Jahren bezahlt werden. Dafür wird ein den heutigen Rechtsmaßstäben genügender qualifizierter Nachrang vereinbart. Wenn die Rückzahlung bis zum 30. Juni 2026 nicht vollständig gelingt, verfällt ein offener Betrag ersatzlos. Anders ist es mit dem Kaufpreis im Falle einer Abwicklungsanordnung. Dieser ist nicht nachrangig und muss von der der U 20 Prevent GmbH auf jeden Fall in den nächsten fünf Jahren bezahlt werden. Hier ist der Anleger in einer besseren Position, was auch den geringeren Betrag erklärt.

Lassen Sie mich dann noch ein Szenario ohne aufsichtsrechtliche Abwicklungsanordnung ansprechen. Denn angesichts des erwähnten OLG-Urteils benötigen Sie eine sehr hohe Zustimmungsquote, um weitere Insolvenzen zu vermeiden. Was passiert denn im Falle einer nicht ausreichenden Zustimmung der AnlegerInnen?
Zuerst möchte ich betonen, dass schon jetzt unterschriebene Verzichtserklärungen ankommen und ich mit einer hohen Zustimmung rechne. Im Falle der Insolvenz kommt weniger zurück, wie das Beispiel Festzins VI zeigt, bei dem ich mit einem geringen Rückfluss rechne. Aber jetzt zu Ihrer Frage: Wenn keine ausreichenden Zustimmungen erteilt werden, sind Insolvenzanträge unvermeidbar.

Das erscheint logisch. Trotzdem wird es AnlegerInnen geben, die den Verzicht nicht erklären und sich dadurch einen Vorteil versprechen. Wie stellt sich das Verhältnis derjenigen AnlegerInnen mit erklärtem Forderungsverzicht zu denen ohne Forderungsverzicht dar? Das Ganze betrachtet im Insolvenzfall.
Im Insolvenzfall werden wir den Anlegern, wie bei einer Abwicklungsanordnung, für die Restschuld ein Kaufangebot zu unterbreiten. Die Höhe dürfte sich an der Kaufpreissumme im Falle der Abwicklungsanordnung orientieren. So vermeiden wir, dass die nicht unterzeichnenden Anleger sich besser stellen.

Und wie ist das Verhältnis dieser zwei Gruppen ohne Insolvenz?
In diesem Fall haben diejenigen mit Verzichtserklärung den Vorteil, dass sie monatlich Geld bekommen, während diejenigen ohne, nur den bisherigen Vertragsregeln entsprechend jährlich.

Das stellt mich jetzt aber noch nicht zufrieden, weil eine zeitliche Verschiebung der Zahlung keine dauerhafte Schlechterstellung der unterzeichnenden AnlegerInnen sicherstellt. Können Sie dazu noch etwas konkreter werden?
Es ist schwierig, alle Eventualitäten perfekt zu beschreiben. Aber wir werden alles tun, um die uns das Vertrauen aussprechenden Anlegerinnen und Anleger nicht schlechter zu stellen, als die anderen.

Was ist denn mit der Eventualität, dass mehr zurückkommt als Sie den AnlegerInnen mit dem Forderungsverzicht als Restschuld belassen?
Jetzt springen Sie aber schon sehr stark hin und her. Zuerst tun Sie so, als ob das gesamte Geld weg ist und jetzt fragen Sie nach dem Wunder, dass plötzlich alles wieder gut ist. Falls wirklich mehr Geld zurück kommt als bei den Verzichtserklärungen kalkuliert, werden wir gerne darüber nachdenken, wie wir das an die Anleger weiter geben.

Ich lasse das jetzt mal so stehen und springe zu einem anderen Thema: Wenn ich mir die Liste der betroffenen Gesellschaften ansehe, dann stellt sich mir die Frage, was mit den Emittenten ist, die nicht dabei sind. Was passiert beispielsweise mit den Immo-Sprints, die auch mit der problematischen Nachrangklausel ausgestattet sind. Warum gibt es dort keine Probleme?
Gehen Sie mal davon aus, dass die Anleger dort sehr zeitnah ihr Geld zurück erhalten. Deshalb stellen sie nicht die gleichen Fragen wie bei den Angeboten mit Schwerpunkt Biogasinvestments.

Nach meinen Informationen sind auch erhebliche Beträge an die te management GmbH von Herrn Keller ausgereicht worden. Was passiert mit diesen Geldern?
Wir sind dazu stark im Gespräch mit der Gesellschaft. Bei den für Immobilienprojekte verwendeten Darlehen dürfte es kein Problem sein, dass alles zurückfließt. Schwieriger wird es bei den in Biogasprojekte geflossenen Mitteln. Konkreteres kann ich dazu noch nicht sagen.

Zum Schluss möchte ich noch ein Thema ansprechen, das nur indirekt mit den aktuellen Dingen zu tun hat. Da es unstrittig ist, dass hier durch Fehlinvestments Anlegergeld vernichtet wurde, würde mich interessieren, wie stark Sie auch an der Aufarbeitung der Vergangenheit interessiert sind?
Priorität hat für uns die Gegenwart und die Zukunft. Wir müssen mit der BaFin-Entscheidung umgehen und das Beste für die Anleger herausholen. Sobald die Kapazitäten aber vorhanden sind, werden wir uns wieder verstärkt um die Vergangenheitsbewältigung kümmern. Auch daran habe ich ein großes Interesse.

Herr Langnickel, ich hätte zwar noch eine ganze Reihe weiterer Fragen, die mich beschäftigen, aber der Rahmen für ein solches Interview ist längst erschöpft. Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken, dass Sie sich meinen Fragen gestellt haben. Vor allem deshalb, weil wir in einigen Punkten sehr unterschiedliche Ansichten vertreten.

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