UDI: „Unglaublich Dilettantische Investments“

Gutachten des Insolvenzverwalters lassen nichts Gutes erwarten

Mehrere AnlegerInnen haben Investmentcheck Insolvenzeröffnungsgutachten von Dr. Jürgen Wallner zu UDI-Anlagegesellschaften zugespielt. Die Inhalte sind erschütternd. Sowohl der langjährige UDI-Chef und Gründer Georg Hetz als auch sein Nachfolger Stefan Keller kommen nicht gut weg. Nicht gut weg kommt ebenfalls der seit Herbst 2020 amtierende Rainer Langnickel. Nach Wallner könnten die mit tausenden AnlegerInnen vor ein paar Monaten geschlossenen „Forderungsverzichte“ ungültig sein. Am Schlimmsten ist aber wohl die Erkenntnis, dass die Investments selbst unglaublich unprofessionell abliefen und die Insolvenzquoten bei unter zehn Prozent landen könnten.

Forderungsverzichte. Im Mai dieses Jahres bekamen 6.200 AnlegerInnen Post von UDI. Sie sollten auf große Teile ihrer Einlagen verzichten (Mehr:
BaFin kippt UDI-Nachrangklausel)
Rund 40 Prozent, also etwa 2.500 AnlegerInnen sollen die Verzichtserklärung unterzeichnet haben. An dieser von UDI als Projekt „Matterhorn“ bezeichneten Aktion lässt Wallner allerdings kein gutes Haar. Er beschreibt in den Insolvenzgutachten eine klare Schlechterstellung für die AnlegerInnen, die Langnickel vertrauten. Dabei geht Wallner sogar so weit, dass wegen der fehlenden Aufklärung darüber auch die neue Nachrangklausel unwirksam ist: „Sie lässt vermuten, dass auch diese Klausel einer Kontrolle durch die Gerichte nicht standhält.“ Offenbar nicht nur seine Meinung, denn die Kanzlei Oppenländer Rechtsanwälte hat zwei Gutachten zu Spezialfragen im Zusammenhang mit den Nachrangdarlehen erstellt. Eines befasst sich mit der Frage, ob die Anlegerforderungen aufkaufende U 20 Prevent GmbH an der Verteilung der Insolvenzmasse teilnehmen darf. Die Antwort und Einschätzung von Wallner findet sich indirekt in der Gläubigerliste, da dort die U 20 nicht auftaucht. UDI selbst hat auf Anfrage bekräftigt, dass man fest von einer Gültigkeit der Verträge ausgehe.

UDI wollte hoch hinaus und ist weit gefallen
UDI wollte hoch hinaus und ist weit gefallen
Bild: Stefan Loipfinger

Selbstbedienungsladen. Rechtfertigungsbedarf könnte für Rainer Langnickel außerdem entstehen, weil er seit seinem Amtsantritt teure Dienstleistungsverträge zu Lasten der UDI-Anlagegesellschaften abgeschlossen hat. Zum Beispiel gruppeninterne Kosten für Soft- und Hardware und die Übernahme von Verwaltungsaufgaben werden mit fast 93.000 Euro pro Jahr abgerechnet. Das kassiert die UDI GmbH aber nicht insgesamt, sondern pro Anlagegesellschaft. Für Hostingkosten kommen dann noch zusätzliche gut 4.000 Euro hinzu. Kaufmännische Dienstleistungen werden gemäß älterer Verträge mit gut 14.000 Euro von der te Service GmbH in Rechnung gestellt. Die Höhe des Mietzinses, den die SKU Holding GmbH bei einigen Gesellschaften berechnet, wird nicht beziffert. In einigen Gutachten ist aber ein Mietvertrag für Chemnitz allgemein als Dauerschuldverhältnis aufgeführt. Zu diesen Kosten befragt meinte UDI, sie hätten die Aufgaben in der Gruppe kostensparend gebündelt und von den insolventen Gesellschaften wurden bislang keine relevanten Beträge gezahlt. Auf den Frageteil, warum damit deutliche höhere Kosten als prospektiert anfallen, ging UDI in der Antwort nicht ein.

Falsche Begründung. Bei Insolvenzantragsstellung wollte Rainer Langnickel eine Eigenverwaltung erreichen. So wäre er als Geschäftsführer im Amt geblieben. Die kürzlich vom Amtsgericht Leipzig angeordneten Insolvenzeröffnungen laufen nun aber im Regelverfahren. In der offiziellen Mitteilung erklärte Langnickel Anfang September noch: „Aufgrund der bereits erreichten wichtigen Sanierungsziele haben wir uns dazu entschlossen, mit der Eröffnung der Insolvenzverfahren den Antrag auf Eigenverwaltung zurückzunehmen.“ So könnten auch Interessenskonflikte zwischen einer einheitlichen Geschäftsführung bei den insolventen Emittenten und den Projektgesellschaften vermieden werden. Eine ganz andere Sprache sprechen die Gutachten. Danach hat die BaFin massive Bedenken gegen die Eigenverwaltung angemeldet, weil diese dem Schutzzweck des KWG zuwiderlaufe. Damit konfrontiert räumte UDI ein, man wollte „zusätzliche Auseinandersetzungen mit der Bankenaufsicht“ vermeiden, betonte aber, dass „die Sanierungsziele auch im Regelverfahren erreicht werden“ können.

Hetz und Keller. Spannend zu lesen sind die Gutachten auch in Bezug auf die ehemaligen Geschäftsführer Georg Hetz und Stefan Keller. Seit 2011 pflegten UDI und die te-Gruppe von Stefan Keller eine enge Kooperation. Ab 2013 war Keller neben Hetz Geschäftsführer der heutigen SKU Holding GmbH. Zur Ausreichung vieler Darlehen der Anlagegesellschaften an die Projektgesellschaften schreibt Wallner: „Im Ergebnis hat die Schuldnerin somit ihre Versprechen gegenüber den Anlegern aus dem Prospekt bzgl. einer Sicherung der Investitionen nicht nur nicht eingehalten, sondern sie hat darüber hinaus die Investitionen in einer von vornherein besonders risikobehafteten Form des qualifizierten Nachrangdarlehens getätigt.“ Wallner legt sich in den Gutachten noch nicht fest, ob dies vorsätzlich geschah. In seiner Vermögensaufstellung findet sich aber zur möglichen Geschäftsführerhaftung bereits ein Erinnerungsposten von einem Euro.

Ungültige Nachrangklausel. Zentrale Frage bei den insolventen UDI-Anlagegesellschaften ist der mit AnlegerInnen vereinbarte qualifizierte Nachrang. Langnickel hat im Mai in einem Exklusivinterview erklärt, dass auch ohne weitere Abwicklungsanordnungen der Finanzaufsicht zusätzliche Insolvenzanträge drohen. Investmentcheck hat nun das dort angesprochene Urteil beim OLG Nürnberg ausfindig gemacht, das Langnickel im Interview dem OLG München zuordnete und von dem er ein Aktenzeichen oder eine Urteilsabschrift verweigerte. Klar, denn ein Lob sind die Entscheidungen nicht. Das Oberlandesgericht hat einen Zurückweisungsbeschluss nach Paragraph 522 ZPO gefasst. Manche Anwälte bezeichnen so etwas als Ohrfeige für den Antragssteller, weil die Berufung offensichtlich keinerlei Aussicht auf Erfolg hat und das Gericht deshalb auf eine Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe. Das erstinstanzliche Urteil vom Landgericht Nürnberg geht bei der Nachrangabrede davon aus, dass sie aufgrund der vielfachen Anwendung als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten ist. Als Folge greift das Bürgerliche Gesetzbuch mit den Paragraphen 305 bis 310. AnlegerInnen müssen deshalb die Klausel vollumfänglich verstehen können, was das Gericht verneint: „In dieser werden die Begriffe ‚Jahresüberschüsse‘, ‚Bilanzgewinne‘, ‚Liquidationsüberschüsse‘ und ‚sonstiges freies Vermögen‘ verwendet, ohne diese näher zu erläutern. Für einen juristischen Laien ist hieraus in keiner Weise ersichtlich, wann die Voraussetzungen für die Rückzahlung des von ihm gewährten Darlehens eingetreten sind.“ Und selbst wenn AnlegerInnen das Gemeinte verstehen, haben sie laut Gericht aufgrund der fehlenden Einblicke in die Vermögensverhältnisse keine Chance zu beurteilen, „inwieweit das zur Auszahlung sonst zur Verfügung stehende Kapital für die Erhaltung des Eigenkapitals benötigt wird“. Auch die unbegrenzte Zeit der Zahlungsverweigerung wird als ungenügend erklärt moniert. Ebenso die Tatsache, dass das Fehlen von Mitwirkungs- und Informationsrechten AnlergerInnen sogar schlechter stellt als Eigenkapitalgeber, die zumindest im Rahmen ihrer Mitbestimmung Einfluss nehmen können. Das Oberlandesgericht stimmt all den Versäumnissen zu und hat in einem Hinweisbeschluss sogar noch weitere hinzugefügt. Das betrifft zum Beispiel die Überschrift, die UDI in den Darlehensverträgen verwendete: „Aus einer solchen Überschrift (‚Nachrangigkeit‘) lässt sich nicht hinreichend deutlich und transparent entnehmen, dass die Ansprüche der Darlehensnehmerin aus dem Darlehen auch bereits außerhalb bzw. vor einem eröffneten Insolvenzverfahren eingeschränkt werden sollen. Sie genügt nicht, um die einschneidenden Rechtsfolgen bereits einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre und insbesondere deren zeitlich unbegrenzte Dauer zu verdeutlichen.“ Damit ist die Liste der Versäumnisse noch lange nicht komplett. Das gesamte Urteil und die OLG-Beschlüsse sind deshalb im Forum Investmentcheck.Community zum Download hinterlegt. Sie sind ein selbst für juristische Laien verständliches Lehrstück, was bei qualifizierten Nachrangklauseln gegenüber Privatanlegern alles falsch gemacht werden kann.

Projektgesellschaften. Sehr spannend, aber auch traurig sind die als Anlage 4 beigefügten Bewertungen der ausgereichten Darlehen an die Projektgesellschaften. Danach sind viele Forderungen mit einem Erinnerungswert von einem Euro beziffert. Viel zu häufig sind bei der abschließenden Bewertung solche Sätze zu lesen: „Aufgrund des erheblichen Investitionsbedarfs ist eine Bedienung aller Nachrangdarlehen auf absehbare Zeit nicht möglich.“ Die jeweils angegebenen Ursachen sind unterschiedlich, erwecken aber in ihrer Gesamtheit ein ziemlich unprofessionelles Handeln der jeweiligen Geschäftsführer. Bei der UDI Biomasse Sülte GmbH konnte das Projekt nicht in Betrieb gehen, da alle Testphasen fehlschlugen. Der spätere Verkauf von Einzelteilen ist wohl nur als Verzweiflungstat zu werten. Oder beim Projekt Finkenheerd, das über Jahre immer wieder neue Darlehen von UDI-Anlagegesellschaften erhielt und am Ende nicht über die Planungsphase hinauskam. Auch bei Photovoltaikanlagen gibt es massive Probleme wie beispielsweise bei der VEXX Energy Invest V. Wegen erheblicher Mängel in der Anlage musste diese deutlich abgewertet werden, was wiederum zu einer Vollabschreibung der Nachrangdarlehen verschiedener UDI-Anlagegesellschaften führte.

Grobe Quotenschätzung. Extreme Enttäuschung, wenn nicht noch stärkere emotionale Gefühle entstehen bei AnlegerInnen vermutlich, wenn sie die sehr grobe Quotenschätzung des Insolvenzverwalters sehen. Beim jüngsten und vermutlich wirtschaftlich noch besten Angebot, dem UDI Energie Festzins IX rechnet Wallner mit einer freien Masse von 1,28 Millionen Euro. Davon zieht er voraussichtliche Kosten des Insolvenzverfahrens in Höhe von 293.000 Euro ab. Der klägliche Rest würde für die AnlegerInnen eine Quote von 10,8 Prozent bedeuten. Das mag zwar nur eine sehr grobe Ersteinschätzung darstellen, zeigt aber die Dimension des UDI-Versagens. Ein Blick auf das älteste der insolventen Angebote, den UDI Energie Festzins II offenbart nach Abzug der Insolvenzverwalterkosten eine Restvermögen von 11.000 Euro. Bezogen auf die 5,1 Millionen Euro Anlegerkapital wäre das eine fast homöopathische Quote.

Loipfinger’s Meinung. Seit Jahren beschäftige ich mich nun mit UDI. Wegen der extremen Intransparenz und der erkennbaren fragwürdigen Mittelverwendung bin ich schon länger sehr skeptisch. Aber die Gutachten schlagen dem Fass den Boden aus. Ein solcher Dilettantismus (schwerere Vorwürfe müssen andere erheben) ist fast nicht zu überbieten. Ich interpretiere deshalb den Namen UDI von Umwelt Direkt Invest neu als Unglaublich Dilettantische Investments. Denn rein aus der vorhandenen Substanz werden die AnlegerInnen nicht mehr viel Geld sehen. Umso entscheidender ist es, ob der Insolvenzverwalter wirklich alles unternimmt, um über eventuelle Haftungsansprüche bei allen möglichen Verantwortlichen voll durchzugreifen. Notfalls braucht es aus Anlegersicht einen Plan B für die im November anberaumten Gläubigerversammlungen, in dem dort ein anderer Insolvenzverwalter gewählt wird. Auf alle Fälle muss unbedingt der Gläubigerausschuss auf den Versammlungen besser besetzt werden. Denn selbst wenn Wallner am Ruder bleiben sollte, müssen die Anlegerinteressen im Ausschuss mehrheitlich vertreten sein. Die jetzige Besetzung sehe ich bis auf den Rechtsanwalt Peter Mattil keinesfalls als geeignet an.

Service. Die vollständige Antwort der Presseanfrage an UDI können Sie bei Interesse im Forum Investmentcheck.Community nachlesen. Dort können Sie sich auch mit anderen UDI-AnlegerInnen austauschen. Die Registrierung ist kostenlos und kann Ihnen weitere Informationen für Ihre notwendigen Entscheidungen liefern. Die gesammelte UDI-Berichterstattung bei Investmentcheck ist hier abrufbar. Sofern Sie regelmäßig an Informationen von investmentcheck.de interessiert sind, können Sie sich hier für den kostenlosen Newsletter eintragen. Sie erhalten dann Informationen wöchentlich in einer Mail zusammengefasst.

Beitrag teilen


Beitrag veröffentlicht

in

von