250.000 fehlende LED-Leuchten

KW 08/2022: Kommentar von Stefan Loipfinger

Liebe Leserinnen und Leser,

Journalisten neigen gerne dazu mit Superlativen zu arbeiten. Klar, das bringt Aufmerksamkeit und damit Reichweite, aber es stumpft auch ab. Und dann gibt es keine Steigerung mehr, wenn es einer solchen Bedarf. Nein, ich schreibe jetzt nichts über den Ukraine-Konflikt, bei dem die Problematik auch zutrifft. Dazu möchte ich mir nicht anmaßen vom Schreibtisch aus zu berichten. Mir geht es weiterhin um den grauen Kapitalmarkt und in diesem speziell um meine Erlebnisse in der vergangenen Woche. Und da tue ich mir diese Woche wirklich schwer zu berichten, ohne Superlative zu verwenden.

In nun schon fast 30 Jahren habe ich keine Kriminalinsolvenz erlebt, bei der kurz vor Eröffnung der Verfahren die Eigenanträge zurückgenommen wurden. Im Stundentakt gab es Neuigkeiten. Glaubt man den Erkenntnissen der vorläufigen Insolvenzverwalter, dann fehlen gut 60 Prozent der an AnlegerInnen ohnehin viel zu teuer verkauften Lampen. Konkret: Von 378.955 bestellten und bezahlten LED-Leuchten in den Jahren 2016 bis 2021 wurden nur 137.183 produziert. Mich erinnert diese Verhältnismäßigkeit an P&R.

18 Insolvenzverfahren laufen derzeit bei verschiedenen Unternehmen der Deutschen Lichtmiete
Die Liste der bisher vorläuig eingeleiteten Insolvenzverfahren bei der Deutschen Lichtmiete ist sehr lang.
Hintergrundbild: Deutsche Lichtmiete, Recherchen Investmentcheck.de

Aber zurück zum Wunder, das Alexander Hahn durch die nicht mehr vorliegende Insolvenzreife andeutet. Oder ist es Harakiri, was der Unternehmensgründer hier gerade betreibt? Wie ein sehr mutiger Gockel stellt er sich nun nicht nur gegen die Staatsanwaltschaft, sondern auch gegen die an den vorläufigen Insolvenzverfahren beteiligten Juristen. An den kursierenden wilden Spekulationen zu den Hintergründen will ich mich nicht beteiligen. Aber allein der vermutlich abzubrechende M&A-Prozess könnte einen enormen Schaden für die AnlegerInnen produzieren, wenn Hahn die Phönix-aus-der-Asche-Nummer misslingt.

Das Gericht sieht das pragmatisch und hat bereits elf der 18 vorläufigen Insolvenzverfahren aufgehoben (Stand: Donnerstagabend). Was bleibt dem Richter auch anderes übrig. Für ihn ist die Sache – zumindest vorerst – erledigt. Aber seine Kolleginnen und Kollegen werden vermutlich reichlich zu tun bekommen, da in den letzten Wochen viel Geld ausgegeben wurde. Nicht zuletzt die ohnehin bisher sehr unglücklich agierende Treuhanddepot, die tausende Rechnungen an AnlegerInnen für Rechtsanwaltskosten zu einem nicht funktionierenden Mieteinnahmenpool verschickte. Vermutlich ein kleiner Betrag im Verhältnis zu den angefallenen Millionenhonoraren von Anwälten und Beratern im Gesamtkomplex. Eigentlich müsste ich jetzt hier einen Superlativ für meine Befürchtungen bemühen, wer diese Zeche am Ende bezahlt. Aber ich spare mir das, angesichts des Leids, das an anderer Stelle gerade überall auf der Welt passiert.

Lassen Sie Licht ins Dunkel.

Ihr

Stefan Loipfinger

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