Zahlungsrückstände bei 85 Prozent der Immobilien-Crowdfundings

5/2023: Wöchentlicher Kommentar von Stefan Loipfinger

Liebe Leserinnen und Leser,
im Februar 2021 startete ich das Anlegerforum Investmentcheck.Community. Zwei Jahre später haben sich nun 3.792 TeilnehmerInnen registriert und 14.622 Beiträge zu 1.192 Themen verfasst. In einem Jubiläums-Thread schreibt beispielsweise jueric: „Das Forum ist nützlich, weil es immer wieder neue Fakten und Erkenntnisse bietet. Viele können eben viel beitragen, i.d.R. mit fachlich-sachlichem Wissen. Das hat meine Investitionsentscheidungen seither schon beeinflusst.“ Der User lucky schreibt: „Herr Loipfinger machen Sie bitte weiter – meine Hochachtung!“ Diese vielen Danksagungen freuen mich und sind ein Ansporn an Weiterentwicklungen zu arbeiten. Umgekehrt möchte ich aber an der Stelle auch Danke sagen für die vielen Informationen, die ich von den AnlegerInnen erhalten habe. Vermutlich ist das Forum der beste Informationskanal, um ungefilterte Fakten zu Vermögensanalgen und Crowdfundings zu erhalten.

Zum Beispiel über die Scharmfinanzierungs-Plattform Estateguru. Die kennen Sie nicht? Ich kannte sie lange auch nicht, bin aber über das Forum auf diese europaweit agierende Plattform aus dem estnischen Tallinn aufmerksam geworden. Das Besondere im Vergleich zu Exporo, Bergfürst, Dagobert & Co.: Estateguru ist extrem transparent. Das untere Bild ist eine Collage mit verschiedenen Informationen von deren Homepage. Verzögerte Fundings werden nicht einfach stillschweigend verlängert, um die Statistik zu schönen. Knallhart wird darüber informiert, dass die in Deutschland belegenen Immobilienfinanzierungen zu 85 Prozent (!) im Zahlungsrückstand sind. In Worten: Fünfundachtzig Prozent.

Desaströse Zahlungsstatistik bei Deutschen Immobilien-Crowdfundings
Desaströse Zahlungsstatistik bei Deutschen Immobilien-Crowdfundings
Bild: Collage aus Informationen von der Estateguru-Homepage

Eine andere Zahl zu ThomasLloyd wird derzeit im Forum diskutiert, die aus dem in dieser Woche veröffentlichten Jahresabschluss der englischen ThomasLloyd Group Ltd. stammt. Danach wurden von Thomas Ulf Sieg und seinen MitstreiterInnen 2021 mit 40,8 Millionen Euro um 42 Prozent mehr Gebühren gezogen als im Jahr zuvor. Die Steigerung kam vor allem durch die von der ThomasLloyd Cleantech Infrastructure Holding GmbH kassierten Managementgebühren zustande, die von acht auf 23,2 Millionen Euro explodierten. Wer die Struktur von ThomasLloyd etwas kennt, der weiß, dass dort die Gelder der darbenden FondsanlegerInnen liegen. Im Klartext: Während 28.000 ZeichnerInnen der Cleantech Infrastructure Fonds schon länger auf Ausschüttungen verzichten müssen, hat sich ThomasLloyd großzügig bedient. Abschließend noch für die Juristen: Das soll jetzt nicht heißen, dass ich eine unrechtmäßige Bedienung unterstelle, sondern nur einen unmoralischen Umgang mit AnlegerInnen.

Und kurz vor Redaktionsschluss habe ich im Forum noch eine Meldung entdeckt, die ich ebenfalls teilen möchte: Gestern eröffnete das Amtsgericht Hamburg für einen Ansparfonds von Steiner + Company mehrere vorläufige Insolvenzverfahren. Es geht um den 2016 von der BaFin gestatteten Multi Asset Anspar Plan 4. Erst vor zwei Wochen hat der Wirtschaftsprüfer bei diesem Fonds das Testat für den Jahresabschluss 2020 versagt. Wenn ich die Begründung dafür so lese, dann schwant mir Böses für die viel größeren Schwesterfonds.

Bleiben Sie kritisch.

Ihr
Stefan Loipfinger

P.S.: In eigener Sache möchte ich Sie auf die Agenda des Sachwerte-Kolloquiums am 28. Februar 2023 hinweisen: zum Programm Ich werde dort am Nachmittag über die Frage diskutieren: „Verbraucherschutz, aber wie? Wird es bald nur noch voll regulierte Produkte geben?“ Ich freue mich darauf, die Fahnen für den Schutz von AnlegerInnen hochzuhalten.

P.P.S.: Die vor einem Jahr von mir ausgerufene Champagner-Wette hat Matthias G. aus München gewonnen. Er lag mit seinem Tipp nur um 71 Registrierungen daneben. Der Champagner ist auf dem Weg …


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