Kanzlei Mattil auf Abwegen

8/2023: Wöchentlicher Kommentar von Stefan Loipfinger

Liebe Leserinnen und Leser,
schon vor ein paar Wochen hat die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU zum Thema Schwarmfinanzierung geantwortet (Drucksache 20/5255). Hintergrund ist die Verordnung über European Crowdfunding Service Provider (ECSP-VO; EU 2020/1503), die die Harmonisierung des europäischen Kapitalmarkts voranbringen soll. In Deutschland ist von der BaFin noch keine Plattform danach zugelassen. Von den im EU-Ausland jeweils gestatteten Unternehmen haben sechs allerdings ihre Absicht angezeigt, auch bei uns Geld zu sammeln. Bis zu fünf Millionen Euro kann ein Emittent alle zwölf Monate mit einem KIIS (Key Investment Information Sheet) einsammeln. Gerne dürft ihr es meinem Problemdenken zuschreiben, wenn ich die Frage nach funktionierendem Schutz von AnlegerInnen aufwerfe. Wie soll das im EU-Ausland gelingen, wenn sich Schwarmfinanzierer schon bei deutschen Plattformen nur sehr schwer bis überhaupt nicht wehren können.

Wie schwierig Rechtedurchsetzung selbst in Deutschland ist, zeigte eine Gläubigerversammlung bei Leonidas III. Vor über einem Jahr kam es zum Insolvenzantrag. Ende 2021 fällige Nachrangdarlehen konnten nicht zurückbezahlt werden. Die Interessengemeinschaft IG-Leo ging gestern mit 79 Prozent der Stimmen in die Versammlung. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter Tobias Rußwurm von der Kanzlei WallnerWeiß drohte eine Absetzung. Sascha Borowski von BBR Buchalik Brömmekamp Rechtsanwälte wollte verhindern, dass die von einem Anleger vertretenen Stimmen der IG-Leo zählen. Da er rechtlicher Vertreter der Schuldnerin ist, lies das Gericht den Antrag nicht zu. Deshalb sprang ihm die Kanzlei Mattil zur Seite und stellte den Antrag mit den wenigen Vollmachten von AnlegerInnen, die von ihr dort vertreten wurden. Am Ende führte das nach ewigen Diskussionen zum Abbruch der Versammlung. Es kam nicht zur Wahl des endgültigen Insolvenzverwalters und des Gläubigerausschusses. Irgendwann in ein oder zwei Monaten wird ein neuer Termin stattfinden. Viele gut bezahlte Anwältinnen und Anwälte reisen dann erneut nach Fürth. Die wenigen anwesenden Anleger, um deren Geld es letztendlich geht, müssen noch einen Urlaubstag opfern.

Amtsgericht Fürth: Viel Gebrülle und wenig Konstruktives für die Leonidas-AnlegerInnen
Amtsgericht Fürth: Viel Gebrülle und wenig Konstruktives für die Leonidas-AnlegerInnen

Ich war selbst vor Ort und bin entsetzt. Sechs Millionen Euro investierten die AnlegerInnen. Mit deren Geld wurden Photovoltaik-Anlagen in Frankreich finanziert. Mit deren Geld wurden im vorläufigen Insolvenzverfahren fragwürdige Gutachtenaufträge vergeben. Mit deren Geld werden nun auch die unsinnigen Kostenmehrungen bezahlt. Wieso wird nicht akzeptiert, dass eine Dreiviertelmehrheit der AnlegerInnen Vollmachten mit dem Zweck ausstellte, den Insolvenzverwalter auszutauschen und den mit sieben Mitgliedern völlig aufgeblähten Gläubigerausschuss zu verkleinern? Wie kann das gegen die Interessen der von der Kanzlei Mattil vertretenen AnlegerInnen sein? Aber die Frage nach den Absichten der Münchner Anwälte stellte ich mir schon unmittelbar nach Insolvenzantragsstellung, als der Leo-III-Chef Ralf Schamberger den AnlegerInnen Ralph Veil von der Kanzlei Mattil wärmstens als Rechtsberater empfohlen hatte.

Bleiben Sie optimistisch.

Ihr
Stefan Loipfinger

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